Was wir an Dreikönige wirklich feiern - ein Impuls zum Hochfest "Erscheinung des Herrn"

Weder Könige noch drei, sondern Sucher des göttlichen Lichts

Anzeige

Sie waren Könige. Drei Könige. So erzählt es die christliche Tradition. Wie schön! Doch Matthäus berichtet von Magiern, von Weisen und ohne Zahlenangabe. Auch von ihrer Reise zur Krippe sagt die Bibel nichts. Grund genug, auf ihre Spur zu gehen. Heinrich Dickerhoff hat es in seinem Impuls zum Hochfest getan.

Am 6. Januar feiern Christen eines der ältesten und schönsten Feste ihres Glaubens: Epiphanie. Oder, wie die Volksfrömmigkeit es genannt hat: „Dreikönige“. Wir feiern an und mit diesem Fest, dass Gott uns aufleuchtet.

Aber tatsächlich betrachtet feiern wir gar nicht mehr. Wo dieses Kirchenfest kein staatlicher Feiertag mehr ist, verschwindet es aus dem öffentlichen Bewusstsein, wird zum normalen Arbeitstag selbst in den kirchlichen Behörden. Und es gibt ja auch in der Kirche längst viel wichtigere Themen als das Aufleuchten Gottes in unserer Welt. Pastorale Räume und synodale Wege, Missbrauchsprävention und Diversität.

Aber niemand wird wegen dieser Debatten Christ werden oder bleiben. Wenn Kirche einen Sinn und Auftrag hat, dann doch den, die die biblische und daraus erwachsene christliche Gottespoesie zu erinnern und zu erschließen. Auch das Bild der „drei Könige“.

Keine Spur von Königen, auch nicht von drei

Ihre Popularität ist zunächst recht erstaunlich. Von den beiden weihnachtlichen Erzählungen der Bibel ist die des Lukas-Evangeliums mit dem Kind in der Krippe, den Hirten auf dem Feld und den nächtlichen Engelchören viel populärer als die des Matthäus-Evangeliums, die von den Magiern aus dem Osten erzählt und vom bösen Kindermörder Herodes. Aber die spätere christliche Fantasie hat sich kaum von den lukanischen Hirten anregen lassen, wohl aber von den zu „Drei Königen“ werdenden Magiern aus dem Osten, von denen Matthäus erzählt.

Im Matthäus-Evangelium sind es weder drei noch Könige, sondern eine ungenannte Zahl von „Magoi“, Magiern, wobei damit nicht Zauberkünstler und Illusionisten gemeint sind, sondern Weise, Sterndeuter, Menschen, die um das Geheimnis wissen und es suchen und in der Dunkelheit neues Licht aufspüren.

Weise ohne Kirchenmitgliedschaft

Sie, die nicht zum Volk Israel gehöre, heute müsste man sagen: keine Kirchenmitglieder sind, verkörpern die allen Menschen aufgegebene und mögliche Suche nach Wahrheit. Oder, christlich gesprochen, die entscheidende Frage des Glaubens: Wo kommt Gott zum Vorschein in unserer Welt? In meinem Leben?

Nach Matthäus kommen die Sterndeuter auf ihrer Suche nach Jerusalem, zum Königshof und zu den Schriftgelehrten. Die haben alles, was zu wissen ist, in ihren Büchern stehen – nur schauen sie nicht auf, brechen nicht auf. Die Magier aber lassen Jerusalem hinter sich, Tempel und Palast und Lehrhäuser, und folgen dem Stern. Bis nach Bethlehem. Bis zum Stall. Bis zur Einsicht, dass der leuchtende Weihnachtsstern, unter dem Gott erscheint, nichts anderes ist als unsere arme kleine Erde, unsere wunderbare elende Heimat.

Gottsucher mit königlicher Bestimmung

Doch auch, wer das Wunder staunend wahrgenommen hat, kann sich nicht zur Ruhe setzen. Die Magier werden von Engel und Traum belehrt, auf anderen Wegen zurückzufinden in die Heimat.
Die „einfachen Christen“ haben im Lauf der Jahrhunderte die Magier als Könige betrachtet, vielleicht weil sie spürten, dass alle, die Gottes Licht suchen, eine königliche Seele und Bestimmung haben. Und sie ließen sie als Vertreter aller Alter und aller Welt, aller bekannter Erdteile auftreten. Alle Welt, jede und jeder, ist eingeladen, das Licht aufzuspüren.

Die Bibel erzählt nichts über ihre Reise, auch die späteren Legenden haben das nicht weiter ausgeschmückt. Aber in meiner Fantasie sehe ich, wie sie weit im Osten, im heutigen Iran, aufbrechen, Erben der schon damals jahrtausendealten Kunst der Sterndeutung, die man in Babylonien pflegte, und geprägt von der Weltsicht des Zarathustra vom ewigen Kampf zwischen Licht und Dunkelheit.

Vorbei an Babylon und Ninive, Issos und Antiochia

Wenn sie dem Stern nach Westen folgten, dann kamen sie vielleicht an Babylon vorbei, nur noch ein Schatten einstiger Größer, aber doch bekannt als Heimstätte uralter Weisheit. Aber der Stern zog weiter. Vielleicht zogen sie vorbei an der Ruinenstadt Ninive, der längst in Trümmern liegenden Hauptstadt des grausamen Assyrereiches, eine Erinnerung an Schrecken und Tod und Vergänglichkeit allen Ruhms. Aber der Stern zog weiter.

Wenn sie nun Richtung Syrien nach Süden abbogen, kamen sie wohl über der Schlachtfeld von Issos. Wir erinnern uns: 3 3 3 – Issos-Keilerei, der größte und strahlendste Sieg des göttergleichen Welteroberers Alexander. Aber der Stern zog weiter. Rechter Hand müsste dann Antiochia gelegen haben, manche nennen die Stadt das Paris der Antike, wo es jede Art von Vergnügen gab. Aber der Stern zog weiter.

Vorbei an Märkten, Banken, Tempeln

Auf dem Weg nach Jerusalem lagen westlich an der Küste die reichen alten Handelsstädte Tyros und Sidon, riesige Märkte, Börsen und Banken. Aber der Stern zog weiter.

Und dann waren sie in Jerusalem, der Heiligen Stadt, wo eine ehrwürdige Priesterschaft anbot, sich in Seinem einzigen Tempel durch Opfer mit dem Einen und Ewigen Gott zu versöhnen. Aber der Stern zog weiter.

Weise Männer, die vom Kind lernen

Und stand still über einem Haus in Bethlehem, über einem Kind. Und die Weisen, die Magier, die königlichen Sucher knieten nieder und gaben, was sie zu geben hatten: Gold für den wahren König, Weihrauch für das göttliche Geheimnis, Myrrhe für das so verletzbare Leben.

Und sie haben verstanden, dass wir dieses Leben, das eine königliche Aufgabe ist und ein göttliches Geheimnis und doch so verwundbar, nur verstehen können, wenn wir es anschauen wie ein Kind: als Wunder, das uns geschenkt wird, und als Pflicht, dieses Geschenk zu beschützen und wachsen zu lassen.

Wer weiß, welche Wunder auf dich warten

Soweit meine Fantasie. Und ich höre sie zu mir sagen: „Komm mit. Suche das Licht. Folge dem Stern. Wer weiß, wohin er dich noch führt und welche Wunder auf dich warten. Und vertrau, du findest heim, wenn auch auf Wegen, die du noch nicht kennst!“

In dieser Hoffnung, diesem Vertrauen weitergehen. Manchmal allein. Manchmal mit Gefährten. Manchmal auf Pfade, die andere vor uns bahnten. Manchmal einsam durchs Dickicht. Manchmal wehmütig. Manchmal dankbar. Manchmal entzückt. Manchmal ungehalten. Manchmal angehalten. Manchmal ganz sicher, gehalten zu sein. Weitergehen.  Bis der Morgenstern aufgeht in unseren Herzen (1 Petr 2,19). Bis unser Herz weiß, wohin es gehört.

Anzeige